FemCamp: Wenn man Offenheit mit Einschränkungen erkämpfen muss

Das FemCamp ist eine queer-feministische Unkonferenz („BarCamp“), die diesen Freitag und Samstag in Wien stattfindet.

Es geht dabei darum, „einen inklusiven und möglichst sicheren Raum [zu] schaffen, um gemeinsam zu diskutieren, sich zu vernetzen, Freundschaften zu knüpfen, Horizonte zu erweitern, neue Ideen und Projekte sprießen zu lassen und Spaß zu haben“ und „insbesondere im Alltag von Diskriminierungen betroffene Menschen ein[zu]binden“.

Ist das denn „nötig“?

Die Frage, ob ein BarCamp mit so einem Schwerpunkt nötig sei, sollte sich einerseits gar nicht stellen – wenn sich Leute finden, die es organisieren, gibt es offensichtlich Bedarf, der keine weitere Rechtfertigung benötigt. (Andere BarCamps für bestimmte Zielgruppen hinterfragt auch niemand.) Andererseits zeigt ein schneller Blick auf die Anmeldeliste der letzten generellen BarCamps in Wien eine (anhand der Vornamen ungenau geschätzte) Frauenquote von nur 23% und 15%, und es sind von vergangenen generellen BarCamps sexistische Vorfälle bekannt, auf die unzufriedenstellend reagiert wurde. Also: Ja, ist es.

Wie schafft man einen inklusiven Raum?

Um einen inklusiven Raum zu schaffen, muss man manchmal Menschen ausschließen. Nein, das ist kein Paradoxon. Offenheit ist kein binärer Zustand und lässt sich nicht nur an niedergeschriebenen Regeln messen. Wenn es eine Minderheit an Personen gibt, die durch ihr Verhalten potenziell Menschen von der Teilnahme abschrecken, ist eine Veranstaltung offener, wenn sie nicht daran teilnehmen. Umgekehrt: Wenn eine Gruppe oder Veranstaltung „offen“ für destruktive oder andere Menschen ausschließende Teilnehmende ist, ist sie nur mehr am Papier offen – die faktische Einschränkung hat man an diese Personen delegiert.

Keine eigenen Regeln aufzustellen, heißt die vorherrschenden Regeln der Gesellschaft zu übernehmen – vor allem die ungeschriebenen. Ein safe space soll aber eine bestimmte Gruppe genau vor diesen als unfair erlebten ungeschriebenen Regeln beschützen und wird daher erst dadurch hergestellt und gesichert, wenn jene Verhaltensweisen und damit Personen ausgeschlossen werden, die ihn gefährden könnten.

Diese Maßnahmen müssen auch nicht immer so gestaltet und formuliert sein bzw. gehandhabt werden, dass sie die uneingeschränkte Zustimmung jener bekommen, die von den damit entgegenzuwirkenden Problemen nicht betroffen sind. Sie können, ja müssen vielleicht sogar ihnen gegenüber auch mal unfreundlich sein.

Ausgeschlossen werden ist für Schwächere

Das kann für die Betroffenenen natürlich überraschend, verstörend und auch schmerzhaft sein. Vor allem, wenn sie nicht gewohnt sind, irgendwo ausgeschlossen zu werden. Oder einfach felsenfest überzeugt sind, zu den Guten™ zu gehören. Das heißt trotzdem nicht, dass ihnen dadurch Unrecht angetan wurde. Ihre Interessen besonders zu schützen und im Zweifelsfall zu ihren Gunsten zu entscheiden ist eben nicht der Zweck dieses Raums und die Intention derer, die ihn bereitstellen. Willkommen in der Lebensrealität Vieler.

Solche Momente sind gute Gelegenheiten zu hinterfragen, ob man nicht vielleicht in anderen Fällen ein Privileg genießt, dessen man sich gar nicht bewusst war. Ob man vielleicht gerade darum besonders empört ist, weil man und die eigenen Interessen/das eigene Wohl/die eigene Teilnahme/die eigene Zustimmung sonst oft (wenn auch nicht immer) in den Mittelpunkt gestellt werden, und ob das vielleicht manchmal sogar auf Kosten anderer geschieht, mit denen man vielleicht mehr Solidarität zeigen und Empathie empfinden könnte.

Oder… man stilisiert sich als das wahre Opfer von Gewalt, den Märtyrer der wirklich Entrechteten und Freunde geben Social-Media-Schützenhilfe mit Nazi-Vergleichenerklären die Ausladung für „dumm und intolerant“, für „Zensur und Verfolgungswahn“ und führen als einziges Argument auf, dass sie selbst als Nichtmitglied der primären Zielgruppe „zu keinem Zeitpunkt jemals erlebt [hätten], dass jemand Angst vor [der ausgeladenen Person] gehabt hätte.“
Das geht auch. Wenn man denn die Richtigkeit der Ausladung unbedingt nachdrücklich bestätigen möchte.

Wo bleibt der Rechtsstaat?

Vom FemCamp Wien wurde also eine Person ausgeladen, weil es mindestens eine konkrete Person gab, die bei seiner Präsenz ferngeblieben wäre bzw. sich unsicher gefühlt hätte. (Ich weiß keine Details und muss sie nicht wissen.)

Aber warum zählt denn deren Wort? Muss es keine öffentliche Verhandlung mit Anhörung aller Involvierten geben? Keine Rekursmöglichkeit? Nein. Die FemCamp-Orga hat sich entschlossen, die Definitionsmacht jenen zu verleihen, die sie als strukturell diskriminiert und als primäre Zielgruppe der Veranstaltung erkennt – also deren Wahrnehmungen zu akzeptieren, statt sie den Wahrnehmungen der sonst gesellschaftlich (tendenziell) bevorteilten „gleichwertig“ gegenüberzustellen. Weil die Befürchtung besteht, dass das in der Praxis gar nicht gleichwertig wäre, sondern man da Ungleiches gleich behandeln würde. Das könnte vielleicht in Einzelfällen „missbrauchsanfällig“ oder gar „unfair“ sein – aber es kann eine notwendige Maßnahme sein, um einen sonst herrschenden „Startvorteil“ wettzumachen und Menschen zu ermächtigen, die sonst (tendenziell) weniger am Wort sind/deren Wort weniger Beachtung geschenkt wird/die sich weniger Beachtung erkämpfen (können). In anderen Worten: Um den Zweck des FemCamps erfüllen zu können.

Das Thema eurer Veranstaltung bin ich.

Dazu passend war mir aufgefallen, dass der Ausgeladene im Vorfeld folgende (evtl. scherzhaft gemeinte?) Ankündigung gemacht hatte:

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Beim letzten FemCamp hielt er eine Präsentation darüber, dass der Gender Pay Gap seiner Analyse nach kaum signifikant sei bzw. es nicht seriös sei, ihn an einer Zahl festzumachen.

Beide Vorträge finde ich für das FemCamp ziemlich unpassend. Warum – soll Widerspruch zensiert werden? Nein, das ist natürlich nicht der Grund. Es ist jedoch ein altbekanntes Muster, dass bei feministischen Diskussionen meistens sofort jemand zur Stelle ist, der die Debatte auf die Interessen von Männern zu lenken versucht und damit das ursprüngliche Gespräch – ob beabsichtigt oder nicht – sabotiert. Auch wenn diese Themen natürlich diskussionswürdig sind, soll hier ja explizit ein Raum geschaffen werden, der möglichst für Menschen offen ist, die mit bestimmten Nachteilen zu kämpfen haben – nicht einer für nicht davon betroffene, diese Nachteile anzuzweifeln oder auf andere Themen aufmerksam zu machen. Der Raum dafür ist nämlich sowieso schon immer und überall sonst.

Auch in der aktuellen Debatte ist es dem Ausgeladenen ja anschaulich gelungen, sich selbst und die eigene Befindlichkeit zum primären Gesprächsthema über das FemCamp zu machen. Am Freitag und Samstag wird der Fokus anderswo liegen, und das ist gut so.

Ist das noch ein BarCamp?

Darf/soll man eine Veranstaltung „BarCamp“ nennen, von der Leute ausgeschlossen werden? Natürlich. Die „Rules of BarCamp“ waren von Anfang an eine Parodie der „Rules of Fight Club“ und nie ernsthaft als unumstößliche Regeln gedacht. Sie werden ja auch routinemäßig ignoriert: Weder müssen alle Teilnehmenden bloggen noch alle erstmals Anwesenden tatsächlich etwas präsentieren. Ich halte es daher für ein vorgeschobenes Argument der BarCamp-Sittenwächter*innen (um mir einen Kampfbegriff von Antifeminist*innen anzueignen), sie in diesem Kontext plötzlich als gottgegebenen Maßstab heranzuziehen.

Einladung ♥

Abschließend bleibt mir nur zu sagen: Wenn ihr euch entweder bereits für queer-feministische Inhalte und Sichtweisen interessiert oder wenn ihr bereit seid, euren Horizont zu erweitern, auch wenn das in einem Rahmen geschieht, in dem es mal nicht in allererster Linie um euch und eure Meinung geht, kommt am Freitag und Samstag auf das FemCamp!
Es wird bestimmt spannend, lehrreich und lustig – und es ist explizit offen für alle, die diese Offenheit nicht selbst gefährden und akzeptieren können, dass sie das nicht selbst beurteilen.
Wir sehen uns dort!

61 thoughts on “FemCamp: Wenn man Offenheit mit Einschränkungen erkämpfen muss

  1. Ich habe mich gestern über die Meldungen mehrerer Personen sehr aufgeregt. Wenn sich Menschen, die grundsätzlich das selbe Ziel verfolgen, gegenseitig anspucken, weil sie unterschiedliche Ansichten haben, wie man am besten dorthin kommt. Ich möchte das nicht. Und ich weiß, dass es anstrengend ist immer wieder inhaltlich zu diskutieren. Und dass die Diskussion oft verkürzt stattfindet und alle einen unterschiedlichen Hintergrund haben. Unterschiedliche Erfahrungen. Man schafft es zeitlich gar nicht allen zu erklären, was alles dazu geführt hat, dass man Dinge macht, wie man sie macht und warum man denkt, dass das richtig ist.

    Daher danke ich dir für diesen Artikel. Weil er sich die Zeit nimmt grundsätzliches zu erklären und nachvollziehbar macht, warum wahrscheinlich in diesem konkretem Fall so gehandelt wurde.

    (Über das Problem nach Empfindungen von Einzelpersonen zu handeln, würde ich mich gern an anderer Stelle austauschen.)

  2. Lade den Autor dieses Artikels ein, Kontakt mit den OrganisatorInnen des Barcamp Graz aufzunehmen, um den im Artikel erwähnten Vorfall am #bcg13 näher zu beleuchten, auf den wie hier behauptet wird “unzufriedenstellend reagiert wurde”, uns vor allem das, was im Anschluss daran via Blog und Radio verbreitet wurde. So einiges davon hat es mit der Wahrheit leider nicht sonderlich genau genommen. Bitter für die OrganisatorInnen, die in ihrer Freizeit Barcamps auf die Beine stellen, und bemüht sind, so konstruktiv wie nur möglich mit derartigen Situationen umzugehen.

    • Auch das klingt nach einer Frage der Definitionsmacht. Die Orga sind eh nicht „die Bösen“ in diesem Fall, ich versteh auch gern den Frust wenn man etwas organisiert und andere es auf eine Art kritisieren, die man als nicht sonderlich wahrheitsgetreu wahrnimmt. Wenn diese das aber tun weil sie sich dort aufgrund von diskriminierenden, verletztenden Handlungen Teilnehmender nicht wohl fühlten, geb ich im Zweifelsfall ihren Wahrnehmungen (viel) mehr Gewicht als den Verteidigungen es sicher gut meinender Orgas. Und ja, auch das kann vielleicht in Einzelfällen unfair sein – aber um deren Gefühle geht es mir da nicht vorrangig und zu versuchen, die in den Mittelpunkt zu stellen, klingt nach einem Teil des Problems.

  3. Was mich an dieser Art von Diskussionen zunehmend stutzig macht ist der Hang zur Diskursverweigerung, der sich in Teilen der Linken breit macht. Es werden Thesen zu Axiomen erklärt und damit der Auseinandersetzung entzogen – und wer diese Dinge doch diskutieren will wird entweder ausgeladen oder gleich zum Faschisten erklärt. Ähnliches hab ich auch in dem Policy-Dokument zum FemCamp gelesen: “es gibt keinen “umgekehrten Rassismus” oder “Sexismus gegen cis-Männer”” steht da zu lesen. Man möge sich den Satz auf der Zunge zergehen lassen, ebenso wie den, den ich unlängst in einer Diskussionen zu den letzten Demos zu hören bekam: “Gewalt geht immer von den Faschisten aus; Gewalt, die von Antifaschisten angewendet wird, ist immer Notwehr”.

    Denk- und Redeverbote helfen niemandem, am allerwenigsten jenen, die zu schützen man vorgibt. Und sie helfen auch nicht auf dem Weg in eine bessere Gesellschaft. Es lebe die Dialektik, auch, wenn sie derzeit ein bisserl unmodern zu sein scheint…

    • Klar kann man immer über alles reden. Aber gleichzeitig ist es sehr privilegiertes Verhalten, darauf zu beharren, dass alle jederzeit mit einem über das reden müssen, über das man gerade selbst reden will – auch oder gerade wenn sie sich explizit deshalb getroffen haben, um EIN MAL zur Abwechslung einem sich ständig wiederholenden Adam-und-Eva-Gespräch oder gar meinem mackerhaften Verhalten zu entrinnen.

      Wenn du auf der Regenbogenparade zu mir kommst und über die grassierende Unterdrückung Heterosexueller zu schwafeln beginnst, bekommst du von mir ein „Schleich dich“ zu hören. Selbst wenn du vielleicht unter irgendeinem Gesichtspunkt irgendwas Interessantes zu sagen hättest: Hier geht’s ausnahmsweise nicht um dich, und ich werd diesen seltenen, mühsam erkämpften Platz nicht deiner Privilegienblindheit opfern. Wer daraufhin über „Denkverbote“ heult oder sich zum wahren Geschädigten erklärt, hat nix verstanden und bekommt kein Mitleid.

      Ich find ja auch, dass für den Fortschritt ganz wichtig ist, Menschen zu überzeugen, und das geht schwer, wenn man ihnen allzu feindlich entgegentritt. Aber das sagt sich leicht als jemand, der kaum von -ismen betroffen ist: Ich kann voll verstehen, wenn vielen einfach nach der hundersten Instanz eines weithin dokumentierten Verhaltensmusters – vor allem eines übergriffigen, angriffigen, lächerlich machenden, usw. – der Kragen platzt und sie keine Zeit mehr für Höflichkeit gegenüber den Unhöflichen haben.

      „Es gibt keinen ‘umgekehrten Rassismus’“ – so hätt ich das persönlich nicht geschrieben. Aber ich kann darüber nachdenken und eine Interpretation finden, die ich nachvollziehen kann: Man kann Phänomene wie Sexismus und Rassismus nicht losgelöst von der gesellschaftlichen Machtverteilung aufgrund von Gender oder Hautfarbe sehen. Natürlich sind auch Männer* in einer patriarchalen Gesellschaft immer wieder mal eingeschränkt. Einzelne sogar häufig. Das heißt aber nicht, dass das Phänomen nun „neutral betrachtet“ werden muss und Frauen* und Männer* dazu 50:50 zu Wort kommen müssen – das generelle Machtgefälle ist trotzdem sonnenklar. Und ich kann auch noch gut damit leben, wenn jemand diese Begriffe mal so definiert, dass ich sie nicht kapern kann um die Diskussion (wie oft passiert, siehe oben) auf mich und meine Befindlichkeiten zu lenken. Ich muss nicht immer allem 100% zustimmen, was ich mir anhöre, und diese Definition wird mich garantiert nicht vor Ort einschränken oder meine Erfahrung der Veranstaltung schmälern.

      Die FPÖ sagt auch immer, das wahre Problem wären die „Denk- und Redeverbote“, wenn sie jemand darauf hinweist, dass wieder mal der pure Rassismus aus ihren Mündern quillt. Sicherlich erkennst du darin das Ablenkungsmanöver? (Die machen das halt immer wissentlich berechnend – die Menschen, die in der FemCamp-Policy ein solches Verbot zu erkennen glauben, nicht. Man kann halt auch ohne böse Intentionen daneben liegen.)

      • Ich wollte die Diskussion eigentlich etwas verallgemeinern, aber vielleicht mach ich’s doch an einem Beispiel fest:

        Mir ist das ja kein Problem, wenn Menschen, die das für nötig halten, sich in Safe Spaces treffen und Leute wie Giersig, Leyrer und vermutlich auch ich dort keinen Platz haben. Du schreibst aber “EIN MAL zur Abwechslung”, und dem ist leider nicht so. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass sich große Teile der heimischen Linken zu einer selbstreferentiellen Sekte entwickeln, die weder Diskurs noch Input von außen schätzt – und sich in der eigenen Wohlfühlblase gut eingerichtet hat.

        Besonders augenfällig wurde dieses Phänomen für mich bei den letzten Demos gegen Burschenschafter oder Identitäre. Die Gegendemos hatten den Hauptzweck, die Veranstaltungen der “anderen” zu verhindern und zu blockieren – nicht etwa zu informieren oder den eigenen Standpunkt zu vertreten und vielleicht jemanden davon zu überzeugen. Ob es sich dabei um legale Organisationen handelt, die vielleicht auch ein Versammlungsrecht haben, ist völlig irrelevant. Es wird nicht einmal ernsthaft diskutiert, ob die Organisationen unters Verbotsgesetz fallen oder, wenn nicht, ob das Verbotsgesetz verschärft werden sollte. Es findet überhaupt kein Diskurs statt, es geht nur noch darum, “Burschis” zu verhindern. Hauptsache, es werden alle zu Faschisten erklärt, die einem gerade nicht in den Kram passen. Mir ist das alles viel zu eindimensional.

        Es ist auch viel einfacher, sich damit zu beschäftigen, ob sich jemand bei Giersigs Anblick unwohl fühlen könnte als damit, wie man Menschen davon überzeugen kann, bei der nächsten Wahl nicht die Rechtspopulisten zu wählen – oder sich nicht den Identitären anzuschliessen, wenn man die schon für so wichtig hält.

        Dass die “Denk- und Redeverbote” von Rechten genüsslich thematisiert und ausgeschlachtet werden spricht nicht gegen deren tatsächliche Existenz – ganz im Gegenteil. Die Linke macht sich damit extrem angreifbar. Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

        • Danke für Ihre Beiträge hier, Herr Eisenriegler. Sie sprechen mir aus der Seele.

        • Ich bedanke mich auch.

          Der Ausschluss von R. Giersig ist nichts anderes als ein Versuch, Leute loszuwerden, die unbequem sind für die Gruppenmeinung. Geschieht alltäglich, überall. Macht ideell wertvolle Bewegungen und Aktionismen, die sich dem hingeben, schrecklich gewöhnlich.

          • Klassischer Strohmann – diese fiesen Absichten existieren zum Glück nur in deiner Vorstellung. Außerhalb davon geht es nicht um „unangenehm für die Gruppenmeinung“, sondern um das Wohl & Sicherheitsgefühl von bzw. den Raum für die Zielgruppe, für die die Veranstaltung organisiert wird.
            Vorschlag: Trau dich raus zu uns in die Realität, da ist es augenscheinlich nicht ganz so finster wie in deinem Kopf.

          • (Ich antworte mir jetzt selbst, weil neben deinem Beitrag von 23:21 kein Reply-Button ist.)

            Ich halte nichts von persönlichen Beleidigungen und werde dir dahin nicht nachfolgen.

            Viel Spaß im Safe-Space mit der Attitüde.

          • Ich wollte dich damit nicht beleidigen – aber ich halte nichts von Strohmann-Argumenten und wehre mich energisch dagegen. Aber da hast du elegant die Gelegenheit genützt, nicht inhaltlich darauf eingehen zu müssen…

          • Ich finde es übrigens auch nicht sehr fein, Giersigs Präsentation vom letzten Jahr mit “Splaining” zu verlinken. Das Gender Pay Gap ist sicher keines dieser ultrasensibles Themen, zu dem sich nur betroffene Frauen äußern dürfen.

      • Spannend, spannend. Subjektiv, für mich. Die spannendsten Beobachtungen auf der Parade sind für mich jedes Jahr jene, die mit Neugierde, Befremden, Widerspruch, Scham etc. der zufälligen Zaungäste, der Touristen, der Irritierten, der Beobachter am Rande zu tun haben. Würde mich wer ansprechen, es tät mich schon interessieren, warum er das tut. Mir käme kein “Schleich Dich” über die Lippen, zumindest nicht gleich. Dafür wäre ich einfach zu neugierig. Käme einer meiner schwulen Freunde, der mit mir eine halbe Stunde drüber reden möchte, dass wir eh nun endlich Adoptionsrecht bekommen sollen. Jo, eh. Gähn. Danke, wir wissen, dass wir uns einig sind.
        Das war nur eine spontane Assoziation. Das FemCamp kann das machen, wie es möchte, es so nennen wie es möchte. Aus Maus.

        • Finde das, was ich meinte, in den von dir gebrachten Beispielen nicht wirklich wieder: Ich schrieb/meinte ja nicht, dass ich gleich abweisend reagieren würde wenn mich jemand „ansprechen würde“. Im Gegenteil, ich hab bei der heurigen Parade z.B. Leuten auf Nachfrage hin den Begriff „queer“ erklärt – solchen Austausch führt man natürlich liebend gern.

          Anders wäre das bei Leuten, die hartnäckig auf ihrer eigenen Perspektive beharren (also nicht zuhören oder nachfragen oder vorschlagen sondern mir von oben herab mein Leben erklären), nichts nicht schon 100 Mal Gehörtes zum Diskurs beizutragen haben und dann auch noch völlig selbstverständlich darauf bestehen, dass man ihrer Perspektive gerade jetzt Zeit und Aufmerksamkeit einräumen muss und alles andere faschistisch wäre. Solchen Beiträgen würde ich zu diesem Zeitpunkt „ausschließend“ begegnen und das ist auch beim FemCamp berechtigt.

          Und im gegensätzlichen Beispiel ginge es nicht um wie von dir konstruiert gegenseitige Bestätigung von altbekannter Einigkeit, sondern z.B. um Leute, die kreative neue Ideen diskutieren wollen, wie wir ein Adoptionsrecht durchsetzen könnten. Die ein Update geben wollen, wie es in einem anderen Land vorangeht. usw. usf. – das sind die Diskussionen, für die der safe space hergestellt wird.

          • Mein Punkt war der, dass die Parade einen völlig anderen Anspruch hat. Ihre Reaktion auf die beschriebenen Menschen sind völlig legitim. Es gibt auf der Parade aber genügend Menschen, die anders reagieren würden. Die Parade ist ein offener Raum. Mit mir waren schon oft Heteros mit, die nicht mal zu 100 % mit allen Zielen der Veranstaltung übereinstimmen. Heuer begegnete ich Minister Rupprächter am Rathhausplatz – die Parade ist sogesehen auch ein Prozess, aber ein offener Prozess.

            Sichere, abgeschlossene Räume sind in Ordnung. Sie sind halt nicht für jeden spannend. So ist das Leben – vielfältig.

  4. Letztlich argumentierst Du mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl einer Teilnehmerin. Das ist für einen Veranstalter durchaus legitim, denn wer ein- oder ausgeladen wird, bestimmt halt der Veranstalter.

    Das Problem mit dem subjektivem Sicherheitsgefühl ist eben, dass es kaum objektivierbar ist. Begibt man sich einmal auf diese Ebene, dann wird es zb schwer, gegen Fremdenhass zu argumentieren. Denn der fußt einzig und allein auf dem subjektiven Sicherheitsgefühl.

    • Fremdenhass ist Ausgrenzung Schwacher und damit Perpetuierung von Diskriminierung. Ein Safe Space für eine häufig benachteiligte Gruppe ist das Gegenteil: „Ausgrenzung“ von (potenziell) diskriminierendem Verhalten.

      • Siehst Du, genau da liegt das Dilemma. Auf der einen Seite schließt Du aus, dass sich Leute fürchten dürfen, weil diese Furcht nach Deinen Maßstäben eine Diskriminierung sei. Auf der anderen Seite verlangst Du die ungeprüfte Akzeptanz eines subjektiven Sicherheitsgefühls.

        • Danke, Gerald, interessantes Argument und passt für mich ins Bild von der selbstreferentiellen Wohlfühlblase die es aufgegeben hat, sich mit der Außenwelt diskursiv auseinanderzusetzen. Stattdessen setzt man auf Befindlichkeiten und auf einfache Zustimmungs- und Ablehnungsmuster. Das einzige, was noch diskutiert wird, sind Begrifflichkeiten und ihre korrekte Verwendung, die nur von Insidern nachvollzogen werden können und sich ständig ändern. Die so entstehende Geheimsprache (“cis-Männer”, “Männer*” “FLIT*”, usw.) verstärkt dann das Zugehörigkeitsgefühl zur Blase und ist konstitutiv für die sektenartige Struktur.

          • Danke Mikee für das Wort “Sekte”, es lag mir schon lange auf der Zunge und es ist genau der Begriff der mir gefehlt hat. Mein “brand” Feminismus ist keine Sekte und das ist gut so.

  5. Diskursverweigerung ist nie eine gute Sache und ich hab aus der Geschichte was gelernt: es gibt verschiedene “brands” von Feminismus und ich gehöre einem anderen brand an. Exklusion durch vermehrte Inklusion zu deckmäntelchen ist für mich kein gangbarer Weg, ich glaub auch nicht, dass die OrganisatorInnen dieses Femcamp auf dem gleichen Weg sind wie ich oder die gleichen Ziele verfolgen. Wenn grundsätzlich harmlose – meinetwegen aus meiner Sicht meinungsoriginelle – Menschen wie Roland Giersig und Martin Leyrer ausgeschlossen werden, dann will ich dort auch nicht hingehen, aus Menschensolidarität. Und es wundert mich wenig, dass dieser “brand” des Feminismus echten Trollen und Maskulinisten so wenig entgegenzusetzen hat….

  6. Sehr cleverer und reflektierter Text von Christopher. Und dass Gefühle nicht objektivierbar sind hat auch einen Vorteil, ich kann nämlich versuchen das subjektive Sicherheitsgefühl zu verstehen ohne damit Fremdenhass gut zu heißen. Fremdenhass ist ja nur die Reaktion auf die Verunsicherung, doch es gibt andere Möglichkeiten auf diese Verunsicherung zu reagieren. Die ersten Schritte in diese Richtung sind zuhören und mich mit meinen Bewertungen und Erfahrungen zurück halten. Nicht gleich auf jedes Argument ein Gegenargument setzen. Gestapo Methoden zu unterstellen und Nazivergleiche zu ziehen ist da sicherlich nicht förderlich.

    • Das ist, glaub ich, der Kernpunkt zum subjektiven Sicherheitsgefühl – schön gesagt.

      • Sehe ich nicht so. Wenn man Gefühle absolut setzt, dann gibt es immer auch Leidtragende – nämlich diejenigen, auf die sich die Gefühle beziehen. Ob das ein Ausländer, ein Jude oder ein Giersig ist, in dessen Gegenwart ich mich unwohl fühle, ist dabei nebensächlich. Die IMHO korrekte Strategie wäre also, sich mit dem Gefühl auseinanderzusetzen und nicht die – diesfalls – Inhaberin des Gefühls taxfrei zum armen Hascherl zu erklären, das ja für seine Gefühle nix kann und deshalb geschützt werden muss.

  7. Ich werde nächstes Jahr ein “Barcamp für feministische Themen” anbieten. Da können alle Exkludierungsfreudigen gerne kommen, aber sie müssen sich dann – leider, leider – an die Barcampregeln halten und an Harrison Owens Open Space Einzeiler: “Wer auch immer kommt, es sind die richtigen Leute.”
    So muß freier Diskurs. Alles andere ist eine beliebige Konferenz, aber kein Barcamp.

    • Super, da komm ich. Klingt ja fast so als ginge feministischer Diskurs mich auch etwas an. ;-)

      Aber da spricht wohl nur wieder mein dunkler, dunkler Kopf aus mir..

    • Erkennen, dass sich die Gefühle auf ein Verhalten nicht auf eine Person beziehen. Das wäre schon mal ein großer erster Schritt und passt zu deinem Ansatz sich mit dem Gefühl auseinander zu setzen. Dann wird nämlich weder Ausländer, noch Jude, noch Giersig weder für die eine Gruppe noch für die andere Gruppe zum personifizierten Teufel oder Märtyrer. Über Verhalten läßt sich dann deutlich entspannter diskutieren und es wird auch niemand zum Hascherl gemacht.

      • Sorry, war als Reply auf Michael gedacht. Falls das jetzt unter meinen Post kommt ;-)

      • Hallo, Peter ;-)

        Offener Diskurs ist auch ein Verhalten. Leider in diesem Fall kein erwünschtes.

        Und die Brücke zu den dahinter stehenden Personen wird implizit geschlagen: Um sich zum Opfer zu erklären, muss man auch auf Täter zeigen. In diesem Fall halt: Alle (Siehe Blogpost).

        Ich hab es zuvor wieder rauseditiert, als Clays Beleidigung mir die Lust am Austausch etwas verdorben hat (war wohl auch der Sinn der Sache), aber hier passt es auch: Es ist natürlich schwer politisch inkorrekt, und man kommt mit einer dbzgl. Meinungsäußerung auch selten durch, ohne von den Guten(tm) angeschnauzt zu werden, aber die “ich bin ein Opfer, das durch den Rauswurf von Gesinnungsfeinden geschützt werden muss”- Statement unterschreibt wohl in Wirklichkeit kaum jemand. Nur sagen darf man es nicht.

        • Nochmal: Niemand außer dir spricht von Gesinnungsfeinden. Hör bitte auf, das den Menschen zu unterstellen.

          • Wenn Leute für das, was sie sagen, wofür sie stehen, angefeindet werden, dann ist das Gesinnungsfeindschaft.

          • Nichts dergleichen ist passiert – keine Ahnung wieso du immer noch davon fantasierst. Mehrere Personen aus der expliziten Zielgruppe hätten sich wegen einer Person (oder zwei, soweit ich nun weiß) unwohl gefühlt, diese wurde(n) ausgeladen. Die Orga verlieh ihnen aus oben genannten Gründen darüber Deutungshoheit. Alles andere ist deine spekulative Unterstellung.

      • Peter, ich schätze Deinen wertschätzenden und gruppendynamischen Ansatz, aber ich glaube, Du bist damit allein auf weiter Flur.

        Die Niederungen der Realität scheinen sich viel eher an der Logik im Kommentar von Christian Löw zu orientieren: Wenn ich mit viel Aufwand eine Policy produziere, ein “Awarenessteam” installiere und mir gaaaanz viele Gedanken über mögliche Böslinge mache, dann ist das alles sinnlos, wenn keine Böslinge in Sicht sind, auf die man die Policy anwenden könnte. Konsequenterweise muss dann also die Meßlatte, was ein Bösling ist, entsprechend sinken bis dann eben ein Giersig dran glauben muss.

        Andersrum ausgedrückt: Gäbe es eine glaubhafte Bedrohung, dass rechtsradikale Schlägertrupps oder Horden rabiater Männerrechtler das FemCamp unsicher machen würden, wäre es nicht notwendig, die Latte so weit abzusenken und Kollege Giersig wäre hoch willkommen – womit wir wieder bei der Dialektik wären…

        • Das ist halt alles nur deine Theorie. Meinst du wirklich, die Person, die sich konkret bzgl. Roland an die Orga gewendet hat, hätte das nur erfunden damit die Policy unbedingt angewandt werden kann weil… es sonst langweilig wäre? Das finde ich eine sehr untergriffige Unterstellung.

        • Ich nehme das Orga-Team da gerne in die Pflicht, denn man hätte Roland zumindest auf Nachfrage erklären sollen was an seinem Verhalten zu der Reaktion führt. Sonst bleiben wir in der von dir zu Recht kritisierten Gefühlsbeliebigkeit.
          Das clevere an diesem Blogbeitrag ist für mich, dass er eine verständliche Argumentation für das Warum liefert. Mit dem Wie bin ich auch nicht glücklich. Mich erinnerts ein bissi an die Vorwahlen wo ähnlich ungeschickt agiert wurde.

  8. “Es ist jedoch ein altbekanntes Muster, dass bei feministischen Diskussionen meistens sofort jemand zur Stelle ist, der die Debatte auf die Interessen von Männern zu lenken versucht und damit das ursprüngliche Gespräch – ob beabsichtigt oder nicht – sabotiert. ”
    Ich bin da ja relativ neu in der Materie, aber in meiner Wahrnehmung findet eine Berücksichtigung männlicher Interessen in feministischen Diskussionen nicht statt. Jeder Versuch dies zu ändern wird geblockt oder gar sanktioniert. Ob das in Blogs, Foren oder auf Konferenzen ist, unliebsame Meinungen werden ganz gerne verhindert, gelöscht oder mit “derailling” abgetan.
    Interessant wird das dann, wenn man jemanden wie Alice Schwarzer über die männliche Beschneidung schreiben liest, die hier als Grund die weibliche Gesundheit aufführt.
    Mir wäre das egal, jeder darf sich gerne nur über Themen unterhalten, über die er das auch will und mit wem er das auch will. Was aber meiner Meinung nach nicht geht, ist sich das Label “Gleichberechtigung” zu geben, und dies dann konsequent nur von einer Seite aus zu betrachten. Ebenso geht es eigentlich nur wenig an, Statistiken zu missbrauchen (Pay Gap ist so eine, die FRA Studie wäre eine andere) und an der Interpretation der Zahlen keine Kritik zuzulassen.
    Ein Pirat, der andere Meinungen ausschliessen will, hätte mir das jemand vor 4 Jahren erzählt, ich hätte ihn ausgelacht.

    • Du missverstehst m.E. den Feminismus. Die „eine Seite“, von der aus Feminismus die Gesellschaft betrachtet, ist der Blickwinkel einer (tendenziell und nicht immer zu 100%, generell und nicht in jedem Einzelfall, oft subtil und ohne böse Absichten – aber dennoch in Summe massiv) benachteiligten Bevölkerungsgruppe.
      So ist verständlicher, warum man auf Abwehrreaktionen trifft, wenn man in deren Debatten unbedingt die Sichtweise der (tendnenziell, generell, oft subtil,…) Bevorteilten einbringen und immer bestimmte Ausnahmefälle betonen möchte, in der die Machtverhältnisse vielleicht ausnahmesweise andersrum sind.

      Die Berücksichtigung „männlicher Interessen“ findet in der Gesellschaft bereits sehr ausführlich statt (sie heißen dort aber nur oft einfach nur „Interessen“). Die HoSi ist nicht dafür da, Paraden für die Rechte von Heterosexuellen zu planen. ZARA ist nicht dafür da, die Meinungsfreiheit von Leuten zu vertreten, die gern mal auch rassistische Witze reißen. Wenn man zu deren Treffen geht und dort darauf besteht über diese Themen zu reden, muss man sich über Ablehnung nicht wundern.

      Ich bin auch überzeugt, dass Feminismus sehr wohl im Interesse von Männern ist, ohne dass ich da separate „männliche Interessen“ einbringen muss. Die patriarchale Gesellschaft mit z.B. ihrer Geringschätzung von weiblich konnotierten Verhaltensweisen usw. zwängt auch Männer in manchmal unangenehme Verhaltenskorsette – wenn der Feminismus erfolgreich(er) ist, haben alle was davon.

      • Sorry, Christopher, aber das ist ein ziemlicher Topfen. Wenn ich einen Teil der Realität ausblende, weil mir der nicht in mein Weltbild passt, dann hat das mit Politik nix zu tun und läuft für mich allenfalls unter Selbsthilfegruppe. Wo ist dann der Diskurs beheimatet, in dem Fakten diskutiert werden, auch, wenn sie vielleicht mein Weltbild nicht unterstützen? Wo ist der kritische Diskurs geblieben, der alles hinterfragt, auch die eigenen Werthaltungen? Der sich vielleicht auch mal probeweise den Standpunkt des vermeintlichen Gegners zu eigen macht, um zu sehen, ob der nicht auch was für sich hat?

        Die Art von Interessenvertretung, die Du in Deinen Beispielen beschreibst, kommt direkt aus dem 19. Jahrhundert und berücksichtigt nicht, dass wir mittlerweile wissen, dass alles mit allem verwoben ist und sich gesellschaftliche Phänomene auch gegenseitig bedingen. Ja, auch als Linker muss ich mir Gedanken machen, ob Rechte ein Demonstrationsrecht besitzen, sonst spreche ich ihnen nämlich ihre Menschenrechte und damit ihr Mensch-sein ab. Und dort will ich nicht hin.

        • Wir reden jetzt nicht mehr über das FemCamp, gell? Dort wird nämlich m.E. nicht ein „Teil der Realität ausgeblendet, weil der nicht ins Weltbild passt“. Es wird übergriffigem und trolligem Verhalten möglichst entgegengewirkt und damit kritischer Diskurs sowie die Teilnahme einiger Menschen daran überhaupt erst ermöglicht.

          Aber okay, reden wir halt über „kritischen Diskurs“. Diskurs ist m.E. sogar nur dann tatsächlich kritisch, wenn er auch mal was abhakt und ausschließt: Wenn jede wissenschaftliche Konferenz von Leuten überrannt wird, die unbedingt über die Wahrheit der Schöpfungsgeschichte quatschen wollen, jede politische Diskussion von felsenfest Illuminati-Überzeugten und jedes Gespräch von zappeligen Fünfjährigen wird dadurch der Diskurs nicht ganzheitlicher, sondern unmöglich.

          Die Schwierigkeit ist natürlich festzustellen, ob jemand eher in diese Kategorien fällt oder einfach nur eine andere Weltanschauung reflektiert und sachlich vertritt. Das ist keine Wissenschaft und dabei passieren manchmal Fehler. Einfach offen für alles zu sein, wäre aber ein noch größerer.

          • Wir reden schon noch übers FemCamp, zum Teil zumindest. Das, was Du als Entgegenwirken zu “übergriffigem und trolligem Verhalten” beschreibst ist in einer geschlossenen Welt völlig legitim. Die Veranstalterinnen einer invite-only feministischen Konferenz können sich natürlich aussuchen, wer teilnehmen darf, ebenso wie sich Burschenschaften aussuchen dürfen, ob sie Mädchen aufnehmen oder nicht. Geschenkt.

            Was Du aber hier versuchst ist der Spagat, Ausschlüsse von einem per definitionem offenen Format mit einer nicht näher definierten Form von “common sense” vulgo Hausverstand zu rechtfertigen. Und hier wird’s für mich haarig, denn die Ausschließenden verfügen zwar anscheinend über die tatsächliche Macht, diese Ausschlüsse durchzusetzen, sind aber von niemandem – und am allerwenigsten demokratisch – dazu legitimiert.

            Du erklärst mir, wenn ich Dich richtig interpretiere, dass übergriffiges und trolliges Verhalten erstens sowieso selbsterklärend ist, dass es zweitens daher keinerlei Kontroll- oder Berufungsinstanz bedürfe und, dass das drittens auch noch ganz normal sei, so zu argumentieren. Das ist das, was ich mit dem geschlossenen Weltbild meinte, das keinen Input von außen zulässt. Denn, wer diesen Zirkelschluss kritisiert, muss wohl selbst ein Troll sein.

            Und auch, wenn Du im letzten Absatz versuchst zu relativieren: Der Zirkelschluß bleibt, denn auch zur Feststellung dieser möglichen “Fehler” gibt es keine geeignete Instanz.

            Aber, wie gesagt, mir geht es nur am Rande ums FemCamp, das war nur der Anlass. Mir geht es darum, auf diese Art von geschlossenen Weltbildern aufmerksam zu machen, die sich anscheinend neuerdings im linken Mainstream etablieren. Früher waren sektenartige Strukturen hauptsächlich an den Rändern der Bewegung, bei den Maoisten oder Trotzkisten zu finden. Die Zeiten haben sich wohl geändert…

      • Hmm. Vielleicht missverstehe ich “den” Feminismus wirklich. Auch wenn ich nicht glaube, dass es “den” Feminismus gibt.
        Ich glaube zum beispiel nicht daran, dass Frauen massiv und einseitig benachteiligt sind. Ein Blick in unsere Gesetze genügt, um zu sehen, dass die einzigen noch bestehenden gesetzlichlen Benachteiligungen aufgrund eines Geschlechtes den Männern zuteil wird.
        Es mag durchaus sein, dass man Dinge wie die Wehrpflicht durch ein patriachale Strukturen erklären kann, aber ich habe noch nirgendwo gelesen, dass es ein feministisches Anliegen gewesen wäre, die Wehrpflicht abzuschaffen.
        Ich sehe eher, dass es immer neue Gesetzte gibt, die ein Geschlecht bevorzugen, um irgendetwas auszugleichen. Über die Begründungen darf man aber nicht diskutieren, check your privilleges. Käme man auf die Idee, eine Sorgerechtsquote zu fordern, meinst, damit könnten sich weite Teile des Feminismus anfreunden? Kaum, oder?

        • Gesetze sind halt bei weitem nicht der einzige Weg, auf dem Diskriminierung stattfinden kann. Sexismus durchzieht die Gesellschaft auf viel subtilere und nicht immer beabsichtigte und bewusste Weise – was ihn vor allem für davon nicht betroffene schwer zu erkennen macht, ist, dass man ihn allzuoft für die Normalität hält.
          Mädchen komplimentiert man tendenziell eher aufgrund ihres Aussehens und Burschen aufgrund ihres Könnens, das ist halt so. Frauen wollen nicht politisch aktiv sein, das ist halt so. Frauen fragen nach geringerem Lohn, das ist halt so. Männer sind die glaubwürdigeren Präsentatoren, das ist halt so. Weinen ist weiblich und Brüllen ist männlich, das ist halt so. Natürlich räkeln sich Frauen in der Werbung damit Männer mehr Zeug kaufen, das ist halt so. Natürlich benützen wir bei der Mehrzahl die männliche Form, das ist halt so… und tausend weitere Beispiele.

          • Die Beispiele die du ansprichst, da bin ich bei dir, ich sehe aber im Feminismus keine Lösungen die sich anbieten. Quoten, Gleichstellungsbeauftragte die nur von Frauen gewählt werden.. das passt nicht zum Problem. Ausserdem machst auch du den Fehler, das ganze nur von der einen Seite zu betrachten. Ja, Frauen wird eher mit Empathie, Männern eher mit Respekt begegnet. Ist Respekt wirklich besser als Empathie?
            Man kann sich auch gerne darüber unterhalten, warum in “Frauenberufen” weniger gezahlt wird. Oder man überlegt sich auch, was Frauen denn dazu bringt, einen solchen Berufsweg einzuschlagen. Die Verdienstmöglichkeiten sind bekannt. Vielleicht mag doch eine ganze Reihe von Frauen vom Mann finaziell versorgt werden, so wie eine ganze Reihe von Männern (ich bin so einer) sich die beste Nachmitagskinderförderung der Welt (durch meine Frau) gerne leistet.
            Aus den Rollenbildern ausbrechen, diese aufweichen, finde ich super. Noch besser finde ich dann aber, wenn mir wirklich niemand mehr vorschreibt welche Rolle denn die richtige für mich ist. Nicht meine Familie, und auf gar keinen Fall der Staat.

    • Christopher, ich war auf der Orga-Liste dabei wie gewisse Diskussionen geführt worden. Ja, das lief so: “Schließen wir den Leyrer lieber gleich aus, weil der sagt immer so arge Sachen auf Twitter.” – “Der/die abc hat gesagt dass xyz (scheinbar wem vom Orga-Team oder nah dran) ihr/ihm gegenüber gegen die Policy verstoßen hat. Der/die darf jetzt nicht kommen.” – “Ja da kann man leider nichts machen, weil in der Policy steht, dass wenn das wer sagt dann ist das so und wir dürfen das jetzt auch nicht inhaltlich diskutieren. Steht in der Policy.” ICH WAR AUF DER LISTE. Danach hab ich gebeten von dieser Farce gestrichen zu werden. Das ist vernadern. Ich sags nochmal: VERNADERN. Auch Feministinnen sind davor nicht gefeit. Und ich muss es nicht gutfinden, ich DARF es sogar gar nicht gut finden.

  9. kein halbwegs vernünftiger Mensch würde es SchwarzafrikanerInnen zumuten, sich einer Begegnung mit RassistInnen auszusetzen, Michael Eisenriegler und Lena Doppel. Mit Juden/Jüdinnen, Roma, Sinti etc. geht’s nimma, aber frauen sollen es immer noch still duldend ertragen, sich verarschen zu lassen.
    schutz und respekteinforderung als „taxfreie hascherlisierung„ zu bezeichnen ist ein versuch, aber leider #epicfail.
    Sollen sich opfer von rassismus und rassenhass in Zukunft auch mit ihren Gefühlen useinandersetzen, Herr Eisenriegler und frau doppel, statt Schutz zu fordern? ab welchem grad von gewalt? und wieder nicht in einem geschützten raum, den es ohnehin nur sehr selten gibt- im fall des femcamps einmal im jahr? denn geschützte räume sind faschistisch, gell?
    Fascho-Vergleiche sind entlarvend für Leute, die mit Gleichberechtigung eh nix etwas am Hut hatten. Und eine inhomogene Gruppe wie die Femcamp-Orgateam und TeilnehmerInnen als „sekte“ zu bezeichnen entbehrt jeder Grundlage. andere meinungen auszuhalten ohne kraftausdrücke und absolutsetzungen ist nicht gerade die stärke der femcamp-kritikerInnen. argumente übrigens auch nicht.

    ein der vom femcamp ausgeschlossenen personen hat sich wiederholt in meinem wahrnehmungsraum Vergewaltigungsopfer-bashend geäußert und besonders deutlich Opfer-täter-umkehrung betrieben dass mir heute noch schlecht ist. Opfer-täter-umkehr verursacht retraumatisierungen bei Opfern und ist eine der hauptursachen dafür ist, das 90% der vergewaltigten in diesem land nicht einmal eine anzeige machen. falls irgendwer nicht weiß was retraumatisierung ist: es ist als würde man das trauma nochmal erleben, es hat die gleichen folgen wie das trauma selbst und es passiert opfern sehr, sehr häufig. http://de.wikipedia.org/wiki/Retraumatisierung Und: Retraumatisierung löst oft schwerere psychische erkrankungen aus als das trauma selbst. nur damit hier klar wird, wovon die rede ist.
    da geht’s nicht um bauchweh und eine schlaflose nacht, da geht’s um selbstmorde und selbstmordversuche, klinikeinweisungen, jahrelange depressionen, somatisierungen und psychose-schübe.

    giersigs maskulistischer Vortrag voriges Jahr und sein regelmäßig bei jeder gelegenheit geäußerter Sexismus enttarnen ihn als nichts anderes als einen Troll auf einer feministischen Veranstaltung. „Harmlos“ ist an giersig leider wenig. dass er sich selber als „sensibel“ bezeichnet hat mich ein schockiert. ich habe ihn in diskussionen niemals sensibel erlebt, sondern angriffslustig-drüberfahrend, auch bei sehr heiklen themen.

    und wie arg müsste jemand sein, dass man ihn aus einer feministischen veranstaltung ausschließt? muss man einen kachelmann in meinen workshop über vergewaltigung setzen lassen? bin ich nazi wenn ich ihm das verbiete, weil ich zb teilnehmerInnen schützen will? ja, bin ich laut doppler, sektenhaft und faschistisch. müsste ich ich tatverharmlosende aussagen zulassen, darf ich ihnen widersprechen? und was, wenn mir die spucke wegbleibt dabei?? ah dann muss ich mich erst mal mit meinen „gefühlen“ auseinandersetzen, bevor ich die arschlöcher die mich zur sau machen rausschmeisse, richtig, herr eisenriegler??
    haben giersig oder leyrer jemals etwas getan oder gesagt, um frauenrechte zu unterstützen? nie. giersig war immer klar auf maskulistenkurs, gegen die rechte von geschiedenen müttern etc. und hat das dann auch noch als gleichberechtigung markiert. er war immer auf der tour den feministinnen zu sagen, wie die sachen jetzt alle wirklich sind (also splaining, auch wenn er das gegenteil behauptet) – ohne dass er sich jemals ernsthaft mit feminismus, frauengeschichte oder sonstwas auseinander gesetzt hätte.
    er wollte referieren zu „gewalt an männern“ – das ist momentan das kernthema der maskulisten, über das sie sich sehr stark promoten, um die gewalt an frauen strategisch zu verharmlosen und alle feministinnen wissen das. es dem femcamp anzubieten muss frau als provokation interpetieren. und offensichtlich sehe nicht nur ich das so.
    Dass Eisenriegler, Doppler, Giersig und Co das Prinzip geschützter Räume nicht verstehen (sexistische und blöde Übergriffe sind halt nun mal sehr häufig in Konferenz-Settings – mich hat zb ein Fußballer aus meinem Seminarraum hinausgebrüllt und mir schreiend einen suppentopf auf meine unterlagen geknallt auf der ffu14, weil ich 2 minuten überzogen habe) ist nicht das Problem der femcamp-orga, sondern das von eisendoppelgier&co. Sich dann aber noch selber noch mit Orwell und antifaschistischem widerstand oder verteidiger von grundrechten gleichzusetzen ist lächerlich und traurig zugleich.
    das totschlagargument „diskursverweigerung“ trifft den punkt hier ebenso wenig. in vielen bereichen geht es nicht ohne diskursverweigerung – zb frauenhaus, gewalt usw. diskursverweigerung zwischen opfer und täterInnen bzw. deren verwandten und bekannten halte ich für ein grundrecht. die totalisierung der diskursverweigerungsbehauptungen ist absolut gähn. und mit trollen wie giersig zu diskutieren ist zeitverschwendung, wie die geschichte vielfach gezeigt hat…

    niemand würde behaupten, man muss in der brustkrebsselbsthilfegruppe die mit asthma dazunehmen. aber wo fundierte argumente fehlen, müssen eben pauschale, undifferenzierte absolutsetzungen und vergleiche herhalten.
    wem erst jetzt aufgefallen ist, dass nicht alle feministinnen die gleiche eine einzige homogene absolutgesetzte meinung haben muss schon ganz ordentlich geschlafen haben die letzten 100 jahre.

    danke für den super artikel jedenfalls, christopher clay.

  10. Hi alle,

    Ich kann die Argumente nachvollziehen und finde es auch sehr ok, wenn sich eine Organisation gewisse Regeln gibt und einlädt wen sie will und ebenso auch auslädt. Ich lade auch niemanden zu einer Geburtstagsfeier ein, von dem/der ich mir denke, “passt nicht so wirklich rein”.

    Was ich aber nicht nachvollziehen kann ist der Ton, welcher die Musik macht.

    Ich habe mir die “Diskussionen” auf Twitter kommentarlos aber ziemlich vollständig durchgelesen, mir ist nur immer noch nicht klar, was dort so eine Hysterie auslösen konnte.

    Ich kenne weder den Giersing, noch die Veranstalterinnen persönlich. Nur was sich da abgespielt hat ist nicht ok.

    Der wollte Informationen, warum er ausgeladen wurden, und bekam Hohn. Kann man nicht einfach sagen, “Es ist so, und wir können/wollen das aus Gründen nicht näher besprechen”.

    Aktzepiert er es oder nicht ist dann seine Sache.

    Nur was dann kam war unterirdisch.

    Was in einer geschlossenen Veranstaltung passiert und passieren darf ist deren Sache, da hab ich keinen Einblick. Nur Twitter ist aus Prinzip öffentlich, dass dort dann Worte fallen, wie sie gefallen sind, ist absurd.

    Harmlosere Aussagen wie “male tears” sind schlicht dumm. Sind “female tears” besser? authentischer?
    Ebenso Defintionen wie Sexismus gibt es nur in eine Richtung. Wer sowas von sich gibt, darf sich dann gerne aussuchen, ob er/sie lieber eine nicht respektierte und aus Tradition unterdrückte und misshandelte Frau ist oder ein eben grad frisch hingerichteter schwuler cis-Mann*.

    Selbstverständlich kein Thema für das Camp, weil es eben das Thema “Frauen” hat. Was auch Sinn der Sache sein soll, wie ich annehme.

    Nur bitte ohne Worte, die der FPÖ-Diktion entsprechen. Diskutieren geht immer, Diskussion aus Gründen verweigern auch. Nur Verharmlosung anderer Anliegen geht gar nicht. Zumindest nicht im öffentlichen Raum.

    lg Zwischendurch :)

  11. Endlich kommen wir des Pudels Kern ein wenig näher. Vorher muss ich aber zum Thema Diskriminierung noch ein bisserl was vorausschicken: Einen “eisendoppelgier&co” gibt’s nicht. Ich kenne Roland Giersig persönlich nur flüchtig und habe auch sein letztjähriges Referat nicht gehört. Sein “Fall” war für mich lediglich Anlass für ein paar grundsätzlichere Überlegungen. Inhaltlich kann und will ich zum ihm nicht Stellung beziehen, das muss er schon für sich selbst tun, wenn er will. Lena Doppel kenne und schätze ich seit 35 Jahren, bin aber trotzdem nicht immer einer Meinung mit ihr. Die von der Autorin kritisierten Faschismusvergleiche würde ich zum Beispiel nie anstellen, für die muss Lena schon selbst geradestehen.

    Zum Thema: Zum Thema? Ich frage mich gerade, was das Thema eigentlich ist. Ich für meinen Teil hab’ nix gegen Safe Spaces, wenn das die Betroffenen für nötig halten – das habe ich ganz am Anfang schon geschrieben. Aber Politik findet für mich nicht in geschützten Selbsthilfegruppen statt, sondern in der Auseinandersetzung mit den politisch Andersdenkenden – und das sind genau die, die in den Safe Spaces offensichtlich nicht erwünscht sind.

    Meine Kritik bezieht sich darauf, dass in Teilen der Linken (und zwar jenen, denen sich die Autorin mutmaßlich zugehörig fühlt) anscheinend eine ganze Menge von Themen und Sichtweisen völlig ausgeblendet wird und offensichtlich auch keinerlei Bedürfnis nach politischer Auseinandersetzung besteht. Man gibt sich damit zufrieden, diejenigen, die man als “böse” wahrnimmt, vor der Tür stehen zu lassen und sich in der eigenen Wohlfühlblase zu suhlen. Es wird also nicht versucht, Menschen, die Witze über Vergewaltigungsopfer machen, von der Schändlichkeit ihres Tuns zu überzeugen. Es wird auch ein Roland Giersig per Vernaderung zum Troll erklärt, was die Auseinandersetzung mit Inhalten erspart. Überhaupt werden lauter -ismen als nicht weiter diskutierbare Dogmen aufgebaut: Heteronormativismus, Ableismus, Rassismus, Sexismus, Heterosexismus, Klassismus, Faschismus sowieso, whatever. Wer in den Geruch kommt, einen dieser -ismen zu vertreten, mit dem wird Diskurs von vornherein ausgeschlossen – ohne Berufungsmöglichkeit. Es geht also nicht darum, irgendwen zu überzeugen, sondern ausschließlich darum, sich gegenseitig zu bestärken und keine Störungen zuzulassen – das ist das sektenhafte, von dem ich sprach. Illustriert wird das dann mit dramatischen Vokabeln wie “Rape Culture”, “Retraumatisierung” oder mit “Triggerwarnungen” für Twitter-Hashtags. Die einzigen Themen, die doch noch kontroversiell diskutiert werden, sind einige Randthemen, über die die “Szene” noch keinen Konsens herstellen konnte, wie etwa Sexarbeit oder Kopftuchverbot – aber über die wird dafür umso heftiger gestritten.

    Die Opferrolle wird somit zum wünschenswerten Zustand pervertiert, denn als Opfer kann man ja schließlich nicht Täter sein und alles, was man macht, ist per definitionem “gut”. “Gut” und “böse” sind klar definiert und falls jemand doch nicht in das Schema passt (weil zum Beispiel ein heterosexueller weißer Mann auch mal traumatisiert sein könnte), dann wird der eben zum Kollateralschaden erklärt. In der FemCamp-Policy ist das schön ausgeführt: “Es gibt (…) keinen Sexismus gegen cis-Männer”, will heißen: Es kann ihn nicht geben, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Das ist eines der Denkverbote, die ich angesprochen habe (wenn auch sicher nicht das wichtigste).

    Diese Art von Politikverständnis führt dann zu dem für mich wichtigsten Punkt: Wenn “gut” und “böse” keiner weiteren Erläuterung oder Hinterfragung mehr bedürfen, dann ist es folglich auch legitim, andersdenkenden gesellschaftlichen Gruppen (zum Beispiel) ihr Demonstrationsrecht = ihre Menschenrechte = ihr Mensch-sein abzusprechen. Denn wenn der von mir als solcher wahrgenommene “Faschist” eine Veranstaltung durchführen will ist die logische Gegenreaktion darauf, dass diese Veranstaltung “verhindert” oder “blockiert” werden müsse nicht mehr weiter hinterfragbar und damit aus sich selbst heraus legitimiert. Selbstjustiz ist also nur eine zwangsläufige Folge dieser Art von Diskursverweigerung. Die immer wieder bei Antifas auftauchende Losung “Keine Toleranz den Intoleranten!” ist ebenso augenscheinlicher Ausdruck dieser Art zu denken – und das macht mir große Sorgen. Menschenrechte gelten auch für Faschisten und gerade Linke sollten hier vorbildhaft sein, denn daran wird von den politischen Gegnern auch die eigene Glaubwürdigkeit gemessen – und das mit Recht. Denn wie soll ich jemanden überzeugen können, wenn ich meine eigenen Ideale nicht lebe?

    Politische Veranstaltungen sind für mich keine Selbsthilfegruppen, das sind zwei grundsätzlich getrennte Konzepte und beide haben ihre Berechtigung. Wer aber Politik macht, sollte auch in der Lage sein, Widerspruch zu erdulden, ja sollte sogar diesen Widerspruch herausfordern, damit sich die eigenen Argumente daran erproben und schärfen können. Der ganze obige Sermon, in dem die Autorin schildert, mit wem sie aller nicht reden will, bestätigt meine These sehr schön. Und ich weiß auch nicht, was an einem Fußballer, der schreiend einen Suppentopf auf einen Tisch knallt, so schlimm sein soll – ein derartiges Verhalten disqualifiziert sich ohnehin von selbst. Ein weinerliches Policy-Dokument, das dazu auffordert, sich bei beleidigenden Äußerungen an das Policy-Team zu wenden schießt jedenfalls weit übers Ziel hinaus. Auch wenn ich persönlich Beleidigungen für nicht besonders zielführend halte, damit muss man leben können und leben lernen, wenn man außerhalb der Wohlfühlblase etwas bewirken will.

    • “Politische Veranstaltungen sind für mich keine Selbsthilfegruppen”

      Das ist richtig, aber ist dies eine politische Veranstaltung? Nach meinem Eindruck nicht.

      Es gibt ein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und jeder kann sich mit Gesinnungsgenossen – und nur denen – irgendwo treffen. Wenn sich Oldtimer-Fans Treffen, dann wollen die keine Diskussionen über Elektroautos. Wenn Christen eine Messe feiern, dann wollen sie nichts über andere Religionen hören. Wenn Tierschützer sich treffen, dann wollen sie keine Werbung der Fleischindustrie.

      Barcamps sind das Gegenteil von wissenschaftlichen Konferenzen (oder offenen politischen Debatten): es gibt kein inhaltlich offenes Programm, sondern höchstens eines, das die ideologischen Überzeugungen der intendierten Personen bestätigt. Sie sind eher vergleichbar mit einer Demonstration, mit der man seine eigenen Überzeugungen in die Presse bringen möchte.

      Barcamps sind also für ernsthafte politische Auseinandersetzungen nicht der richtige Ort. Die politischen Auseinandersetzungen muß man natürlich trotzdem führen, nur an einem besser geeigneten Ort.

  12. Mir ging’s eh primär um die politischen Auseinandersetzungen an sich, und weniger um’s konkrete FemCamp – obwohl ich da auch nicht ganz Deiner Meinung bin, aber meine Gedanken dazu habe ich gerade weiter oben in meiner letzten Antwort an Christopher formuliert. Ich will mich nicht mehr als unbedingt nötig wiederholen… :-)

  13. Ich, männlich, Anfang 30, Durchschnittsbürger, verfolge mit Spannung und Interesse diese Diskussion hier und rund um das Femcamp.
    Persönlich sehe ich mich sensibilisiert für das Thema “Feminismus” – besser gefällt mir jedoch der Begriff “Gleichberechtigung”. Niemand soll aufgrund seines Geschlechts, Herkunft, sexueller Orientierung usw. benachteiligt oder bevorzugt werden. Diese Einstellung lebe ich und unterstütze ich wo auch immer mein Einflussbereich es zulässt – mit voller Überzeugung.
    Veranstaltungen wie das Femcamp halte ich im Grunde für gut. Doch leider wird – wie es so oft der Fall ist, wenn sich Menschen mit Themen intensiv und über lange Zeit beschäftigen – hier in vielen Punkten derart maßlos übertrieben, dass dieses an sich wichtige Thema die breite Öffentlichkeit als Farce erreicht. Das kann ich sowohl in meinem privaten als auch in meinem universitären Umfeld beobachten – und ich halte das für äußerst schade und kontraproduktiv.

  14. ein femcamp oder barcamp ist kein ort für öffentliche politik. auseinandersetzungen im öffentlichen raum gibt es für feministinnen täglich und an allen ecken – und genau weil dir dort grauslich sind (inkl. morddrohungen, die viele feminstinnen bekommen, nicht nur die ministerin) braucht es weiterhin geschützte räume. diese kritik von herrn eisenriegler geht hier also komplett am thema vorbei.
    ich persönlich suhle mich nachweislich nicht in einer wohlfühlblase sondern habe auseinandersetzungen innerhalb der feministinnen immer gesucht und aufgehalten, und auch außerhalb diskurse geführt. hin und wieder setzte ich mich auch mit arschlöchern (sorry, das ist das korrekte wort in diesem fall) beschäftigt, die auf vergewaltigungsopfer hinhacken, aber das ist meistens sinnlos. giersig wurde nicht vernadert, das ist eine unterstellung. dass man ihm jetzt nicht sagt, wegen welcher person konkret er ausgeladen wurde, ist keine vernaderung sondern ein schutz der person. wenn man sieht was auf twitter abgeht merkt man schnell, wie angemessen dieser schutz hier ist.
    das faschismus-dogma hat bitte giersigs freundin doppel in die debatte eingeführt.
    wen feministinnen von trauma reden ist es ein „dramatisches vokabel“, aber wenn giersig sich jetzt beleidigt fühlt, ist „auch mal ein heterosexueller weißer mann traumatisiert“? geht’s noch?? parteisch ohne jede argumentationslogik, sorry to say.
    zur verharmlosung von faschismus sag ich hier mal lieber nix, außer dass 90% der verbrechen von radikalen von rechten stammen und nur 10 von rechts, die morde in europa zu 100% von rechten.
    mir zu unterstellen, ich würde mit niemandem reden ist falsch: ich hatte mehrere für mich sehr schwierige diskussionen mit giersig (alles sinnlos und zeitverschwendung, er hört sowieso nicht zu), aber ich finde am femcamp ist der typ und seinesgleichen verkehrt.
    warum sollte sich zb giersig nicht mal „mit seinen eigenen gefühlen auseinandersetzen“, sondern leute die opfer von übergriffen wurden? ihm empfiehlt es niemand, warum wird er mehr geschützt als frauen, die opfer sexualisierter belästigung wurden?
    warum muss sich der fußballer der wissentlich und absichtsvoll aufreibt nicht mit seinen gefühlen auseinandersetzen sondern die menschen, die er voll aggressiv angeht, anschreit und störtwieso sollten solche oder übergriffe legitimiert oder uninteressant sein, weil sie sich „selbst disqualifizieren“?
    ausgeschlossen haben sich giersig (und vermutlich auch leyrer?) in wirklichkeit leider selber und das ist traurig genug. er hat ja auch selber öffentlich derart gepostet, dass er erwartet, ausgeschlossen zu werden, der aggressive anteil an seinem eigenen verhalten kann ihm also nicht ganz fremd sein. sowas ist reines trollverhalten, sorry to say.
    das totschlagargument „die übertreiben“ hatten wir auch schon. ohne konkrete ansage kann man dazu auch leider nichts ergänzendes sagen.

  15. Nur ein paar Dinge noch:

    Die Faschismuskeule hat Lena geschwungen, das habe ich auch so geschrieben.

    Der heterosexuelle weiße traumatisierte Mann war ein fiktives Beispiel und nicht auf Giersig bezogen. Ich habe keine Ahnung, ob der traumatisiert ist, vermutlich nicht…

    Wo habe ich Faschismus verharmlost? Ist mir entgangen…

    Morddrohungen sind schlimm, keine Frage, auf die haben aber Feministinnen auch kein Monopol – siehe z.B. die aktuelle Kontroverse um den Erdogan-Besuch und Sebastian Kurz. Jeder, der Politik macht, läuft Gefahr, sich mit irgendwelchen intoleranten Koffern anzulegen.

    Zu den Gefühlen: Ja, es sollte sich jeder mit seinen Gefühlen auseinandersetzen, auch Giersig und der rabiate Fußballer. Ich wüsste nicht, wo ich Gegenteiliges geschrieben hätte. Die Diskussion dazu ist mir jetzt aber ein bisserl zu komplex und führt zu weit. Nur so viel: “Angst” und “Hass” sind keine guten Ratgeber – sie vernebeln eher die Realität als dass sie irgendwas Produktives beitragen würden. Aber, wie gesagt, das ist wieder eine andere Diskussion…

    Übrig bleibt für mich, dass es von vielen anscheinend als ganz normal angesehen wird, dass eine aus sich selbst heraus legitimierte Privatbehörde Urteile darüber fällt, mit wem es wert ist zu diskutieren und mit wem nicht – ohne Anhörung, ohne Berufungsmöglichkeit, auf Basis der Gefühle einer einzigen, anonym bleibenden, Person, die auch weder hinterfragbar noch verifizierbar sind. Wie gesagt, für Selbsthilfegruppen mag diese Policy adäquat sein. Für offene Konferenzen mit politischem Anspruch (“offene Mitmachkonferenz”, vgl. http://fem.camp/infos-und-about/) ist das etwas dürftig – da war das Gottegnadentum der Habsburger noch ein schlüssigeres Konzept.

  16. Ist das eigentlich Absicht dass du meine Kommentare nicht freistellts auf deinem Blog? “Freie Meinungsäußerung” – nicht so gewnscht, aber vorführen der Herren die kommentieren schon? Kommt nicht so gut wenn eine Frau auch dieser Meinung ist?

    • Nein, deine Unterstellung ist falsch. Ich schalte Kommentare mit Untergriffen wie “Gesinnungsterror” nicht frei – ob von dir oder sonstwem. Ich weiß: Zensur! Gesinnungsterror! Ganz furchtbar :(

  17. “Es ist jedoch ein altbekanntes Muster, dass bei feministischen Diskussionen meistens sofort jemand zur Stelle ist, der die Debatte auf die Interessen von Männern zu lenken versucht und damit das ursprüngliche Gespräch – ob beabsichtigt oder nicht – sabotiert. ”

    Moment, geht es beim Feminismus nicht um die Gleichberechtigung beider Geschlechter, also von Frau und Mann?

    • Ja. Um das zu erreichen, muss man strukturelle Benachteiligungen (=systematisch, tendenziell, oft auch subtil/erst auf den zweiten Blick erkennbar) bekämpfen und den Benachteiligten Raum/Ressourcen/usw. zur Verfügung stellen.
      In unserer Gesellschaft sind das nicht Männer – die können zwar in Einzelfällen benachteiligt oder diskriminiert sein, sind es aber nicht systematisch. Ihr Handlungsspielraum ist zwar auch oft eingeschränkt (sie dürfen quasi nichts machen, was weiblich konnotiert ist), aber nicht weil jemand Mächtigerer ihnen den Zugang verwehrt, sondern weil weiblich konnotierte Verhaltensweisen gesellschaftlich geringgeschätzt werden. Daher ist es dem Ziel der Gleichberechtigung nicht förderlich, wenn jede Debatte zum Blickwinkel von Männern abgedrängt wird.

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