Die österreichische Piratenpartei ist heute eine ca. 100 aktiv arbeitende (ca. 320 Beiträge einzahlende, ca. 500 Umfragen beantwortende & ca. 1300 ein Mitgliedsformular ausgefüllt habende) Personen umfassende Keimzelle einer Bewegung.
Obwohl die Partei schon länger existiert (und aus den vergangenen Jahren leider mehrere Altlasten und schwelende Fehden bestehen), ist die Mehrheit der aktiven Personen, soweit ich das überblicken kann, weniger als ein Jahr lang dabei. Es darf also noch von einer etwas chaotischen Aufbauphase gesprochen werden – wenn ihr euch die Piraten zuletzt vor mehreren Monaten angesehen habt, ist das vermutlich nicht repräsentativ für den aktuellen Zustand.
Es gibt über alle Grundsätze noch offene Diskussionsprozesse in der Piratenpartei: Wie transparent wollen wir wirklich sein? Brauchen wir Führungspersönlichkeiten? Was genau ist die Rolle eines Vorstands? Wie populistisch wollen wir kommunizieren? Wie wägen wir Datenschutz und Aufklärung von Missbrauch ab? Diese Debatten finden auch schon mal in recht rauem Ton statt.
Die aktuelle Aufgabe dieser Bewegung muss aus meiner Sicht sein, sich fähig für breite gesellschaftliche Partizipation zu machen. Es werden noch viele sachlich kompetente Menschen benötigt, die an Details eines Wahlprogramms arbeiten wollen, rhetorisch/medial kompetente, enthusiastische, verlässliche und rationale Menschen, die als KandidatInnen fungieren können und generell eine weitaus größere Vielfalt an TeilhaberInnen (MitdiskutantInnen, AbstimmerInnen, MithelferInnen, MultiplikatorInnen). Dafür benötigte, noch fehlende oder verbesserungswürdig gelöste Rahmenbedingungen sind aus meiner Sicht:
- Konsensfindung Grundwerte und Selbstverständnis
- Etablierung von akzeptablen Umgangsformen und Diskussionskultur
- Einrichtung technischer Plattformen
- Website, die aktuelle Diskussionen und Partizipationsmöglichkeiten sichtbar macht
- Freigabe von Liquid Feedback (Erklärung nötig?) für die verbindliche Entscheidungsfindung
- Effizientes und skalierbares Diskussionsforum (mit funktionierenden Moderationsprozessen) als erste virtuelle Anlaufstelle
- Etablierung eines konstruktiven, transparent handelnden und seine Aktivitäten klar kommunizierenden Teams an ausführenden Organen
- Bewusstseinsbildung, dass fehlende Vielfalt, angefangen bei der Beteiligung von Frauen, ein Problem darstellt
- Erhöhte Zugänglichkeit von Stammtischen als erste lokale Anlaufstellen
- Regelmäßige interne Mitgliederkommunikation
Die meisten dieser Prozesse sind iterativ am Laufen – manche mehr, mache weniger holprig. Vor allem personell ist in den letzten Monaten, in denen mehr und mehr Menschen zu den Piraten stoßen, ein klarer meritokratischer Prozess zu beobachten: Durch einen Ausschluss, eine Landesvorstands-Neuwahl und einige selbstständige Rücktritte sind mehrere Personen von offiziellen Posten ausgeschieden, die in meinen Augen unkonstruktiv gehandelt haben oder zumindest unüberbrückbar unterschiedlicher Ansicht waren, was die Grundwerte der Piraten angeht.
Andere Dinge, die der Schaffung dieser Rahmenbedingungen eigentlich nachrangig sind, laufen bereits parallel: Programmarbeit, Medienarbeit, regionale Organisation, öffentliche Auftritte und Infostände, Wahlkampfvorbereitung usw. Ein wenig Einblick in die thematische Arbeit bieten die Positionspapiere und Taskforces.
Erschwert werden die bevorstehenden Aufgaben durch Zeitdruck. Offiziell finden die österreichischen Nationalratswahlen im Herbst 2013 statt, es ist aber auch gut möglich, dass sie auf den Frühling vorgezogen werden, wenn sich die Koalitionsparteien davon Vorteile erhoffen. Die Fähigkeit für breite Partizipation muss jedenfalls bis Jahresende 2012 erreicht werden, damit sich Programmbestimmung und Kandidatenwahlen noch theoretisch ausgehen können. (Vor der NR-Wahl gibt es noch im Jänner in Graz Gemeinderatswahlen, wo die PP österreichweit am besten aufgestellt scheint.)
Sich aktuell bei den Piraten einbringen zu wollen, um die oben aufgelisteten Punkte zu lösen zu helfen, kostet viel Zeit, Nerven und Geduld. Wer sich inhaltlich produktiv einbringen möchte, sollte mit einer der Taskforces Kontakt aufnehmen (und den Rest der Partei ignorieren), oder sich einen Kalendereintrag für November setzen – zu diesem Zeitpunkt wird das Online-Abstimmungstool voraussichtlich bindend sein.
Ganz mutige würde ich herzlich zur Bundesgeneralversammlung von 26.-28.10. in Graz einladen. Um dort das Stimmrecht zu haben, muss man 4 Wochen zuvor Mitglied geworden sein.
Habt ihr Fragen zum Status?
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