Die Piratenpartei bekommt, was sie verdient

Bis auf eine – die Große – sind nun die Wahlen des Superwahljahrs 2013 hinter uns. Die Piratenpartei war überall dabei. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Tirol* 0,76%
Niederösterreich* 0,88%
Kärnten 0,99% Erster/einziger landesweiter Antritt
Salzburg* 1,89% Wahlkampfkostenrückerstattung erreicht
Graz 2,70% Einzug in den Gemeinderat
ÖH* 4,49% Einzug in die Bundesvertretung (+Univertretung in Wien)

* Kein flächendeckender Antritt. Die Zahlen beziehen sich jeweils nur auf die Stimmzettel, auf denen die Piraten standen.

Auf die Gefahr hin, mich damit intern unbeliebt zu machen, muss ich feststellen: Wir haben im Großen und Ganzen bekommen, was wir verdient haben. Bei keinem der bisherigen Antritte der österreichischen Piratenpartei war das erzielte Ergebnis allzu ungerechtfertigt niedrig.

Keine Frage – bei jeder dieser Wahlen haben sich einige Leute den Arsch aufgerissen und enorme Mengen an Zeit, Energie, Herz, Seele und (stellenweise) Geld investiert. Mit den vielen hunderten gesammelten Unterstützungsunterschriften, dem ersten landesweiten Antritt, dem Erreichen der Hürde zur Wahlkampfkosten-Rückerstattung in Salzburg und natürlich vor allem dem Einzug in drei Vertretungsgremien (Grazer Gemeinderat, Universitätsvertretung Uni Wien, ÖH-Bundesvertretung) wurden wichtige Meilensteine erstmals erreicht. Allen, die dabei mitgeholfen haben, gebühren Respekt, Dank, Bewunderung und ein ausgedehnter Erholungsurlaub.

Aber über eines müssen wir uns im Klaren sein: Der Grund für ausbleibende Erfolge in den Ländern ist nicht der Mitbewerb, es sind nicht die unfairen Medien, und schon gar nicht die blöden Wähler – das sind wir schon selbst.

Teams an 5, 6, 10 wirklich aktiven Mithelfenden in einem ganzen Bundesland. Auf wenige Bullet Points beschränkte Wahlprogramme, für deren Umsetzung die antretenden Personen großteils keine nennenswerte Glaubwürdigkeit aufwiesen. Laute Forderungen nach Transparenz, an denen man schon in der Wahlkampagnen-Organisation selbst scheitert. Streit unter Mitgliedern, bei dem aus Ameisenhügeln Berge gemacht werden und persönliche Befindlichkeiten in den Vordergrund rücken. Eine Kommunikationskultur, die die meisten Sympathisierenden aussperrt oder zumindest abschreckt. Das reicht alles nicht, und daran gibt es nichts schön zu reden.

“Die Piraten sind tot”, urteilen manche, die verblüfft sind, was aus dem Hype vom Frühling 2012 wurde. Der medial aufgelegte Elfmeter wurde nicht verwandelt. Wie konnten wir bloß so blöd sein?

So denken Leute, deren Berufung vorrangig das Kaffeesudlesen in der öffentlichen Meinung, das Produzieren von leeren aber “effektiven” Worthülsen oder die Generierung möglichst hoher Werbebanneranzeigeraten ist. Wer Wert auf Substanz legt, stellt fest: Tot sind nicht wir, tot ist der Hype. Tot ist die Illusion, dass es bloßer Anwesenheit bedarf, um in Parlamente zu spazieren, solange man sich die Marke “Piratenpartei” umhängt.
Wir? Wir sind noch klein und lernen gerade krabbeln.

Verdienen wir mehr, weil wir nicht mehr wollen, als wir verdienen?

Ich weine dem Hype nicht allzu bitter nach. Denn: Wir wollen gar nicht die mit den hohlen Phrasen sein, die unkritisch und mit unrealistischen Erwartungshaltungen bloß für’s neu oder anders sein gewählt werden! Wir wollen nicht die sein, die uns mit einem Millionär verbandeln und uns so die Abkürzung zu Aufmerksamkeit und Posten erkaufen! Wir wollen nicht die sein, die uns ein bissl Mitbestimmung als Mäntelchen umhängen, aber dann doch mit “klarem Leadership” die Ergebnisse so hinbiegen, wie’s den Chefs strategisch passt! Wir wollen nicht die sein, die per Zielgruppenanalyse und Fokusgruppe das ideale Stimmvieh ins Visier nehmen und danach die dazupassenden Versprechungen erdichten!

Wenn man etwas nachhaltig aufbauen möchte, muss man klein beginnen – Abkürzungen zu nehmen funktioniert nur mit Hype, Geld oder Berühmtheit. (Und wohin ungerechtfertigter Hype führen kann, haben wir leider schon im Innsbrucker Gemeinderat vorgeführt.) Unsere Situation und die heurigen Ergebnisse sind gar nicht unähnlich zu denen den Grünen bei ihren ersten Antritten bei Landtagswahlen. Mit etwas Optimismus kann man das sogar als gutes Zeichen anfangenden nachhaltigen Wachstums interpretieren.

Und genau dieser Anspruch auf Nachhaltigkeit statt Sternschnuppen-Hype ist der erste vieler Gründe, aus denen wir dann paradoxerweise doch eine Chance verdient hätten, selbst wenn wir noch nicht ganz wacker auf zwei Beinen unterwegs sind.

Weil wir die mit den Grundwerten sind, die ins 21. Jahrhundert passen. Weil wir uns nicht für die einzig moralisch perfekten, intellektuell unfehlbaren Menschen halten, denen man bloß die Macht anvertrauen und sich dann zurücklehnen kann – sondern die mit dem Menschenbild sind, das dir und allen mehr Mündigkeit, Freiheit und Verantwortungbewusstsein zutraut und verschaffen will. Weil wir die sind, die erkennen, wie Vernetzung und technischer Fortschritt uns auf dem Weg dorthin neue Chancen eröffnen, und dass wir gleichzeitig verhinden müssen, dass wir uns damit stattdessen den Weg in eine freiere und demokratischere Zukunft verbauen. Weil wir die sind, die noch große, idealistische Visionen wagen. Die, die wollen, das unsere Gesellschaft aus Krisen und Phasen des Umbruchs am Ende gestärkt und erneuert hervorgeht, statt sie bloß abzuwenden und die ihnen zugrunde liegenden Veränderungen zu negieren zu versuchen. Weil wir untrennbarer Teil einer internationalen Bewegung von unten sind. Weil die Meritokratie in der Partei langsam, aber doch funktioniert – und unsere Nationalratsliste das bisher mit Abstand beste PiratInnenteam ist bzw. sein wird (sie wird am 22. Juni ergänzt und neu gereiht): Voll mit wirklich guten, engagierten, schlauen, idealistischen Menschen, die im Parlament aber sowas von einen besseren Job machen würden als so manche gesichtslosen ParteisoldatInnen, plumpen PopulistInnen und autoritätshörigen OpportunistInnen, die dort aktuell an den Sesseln kleben und die Welt nicht mehr verstehen.

Die kommende Nationalratswahl wird in jeder Hinsicht der bisherige Höhepunkt auf unserer Reise. Bestes Programm, beste KandidatInnen, beste Strategie, bestes Team –– bestes Ergebnis?

Viele glauben, ich wäre im Bundesvorstand der Piratenpartei, weil ich uns super fände. Das Gegenteil ist der Fall – ich mach das, weil es scheiße und frustrierend ist, wie weit die tägliche, operative Praxis noch unserem grandiosen Potenzial hinterherhinkt und weil ich mithelfen will – nein, muss! – diese Differenz zu überwinden (Verstärkung ist dabei übrigens dringend erwünscht und benötigt!).

Auch wenn wir noch weite Strecken auf allen Vieren unterwegs sind und Rückschläge einstecken müssen, bringt mich das nicht von der Überzeugung ab: Was wir hier bauen, das wird noch richtig, richtig geil.
Eine Unterschrift am Gemeindeamt im Juli wäre ein erster einfacher Schritt, uns dabei zu unterstützen.

2 thoughts on “Die Piratenpartei bekommt, was sie verdient

  1. All das oben Geschriebene stimmt. Und es stimmt auch nicht. Mag sein, dass wir gerade erst krabbeln lernen. Schön, wenn uns die anderen dabei zusehen und uns liebevoll am Kopferl tätscheln. Sie wissen ganz genau, dass wir ihnen noch lange nicht gefährlich werden. Wir tun ja auch alles, um ihnen diese Angst zu nehmen. Mag sein, dass wir große und mutige Zukunftsentwürfe wagen. So lange wir nicht mal in unserem Sandkasten in der Lage sind, ein halbwegs brauchbares Modell dieser “richtig, richtig” geilen Zukunft zu leben, wird das niemanden jucken. Weil ich glaube, dass wir – und zwar nur wir selbst – das ändern können: #ichbinmotiviert.

  2. alles was da oben stimmt.

    eine partei (die nachhaltig relevant bleiben soll) baut man halt nicht von heute auf morgen auf.

    es wird noch was aus den piraten! zur zeit stehen die piraten so gut da wie noch nie! und trotzdem wird es noch ein langer steiniger weg.
    #ichbinmotiviert

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